Heute am 01.09. ist Weltfriedenstag. Auch 83 Jahre nach Ausbruch des 2. Weltkrieges ist dieser immer noch hoch aktuell.
Unser Gedenken aber gilt heute auch besonders den Opfern der “Euthanasie” durch die Nationalsozialisten, die ebenfalls begann. Denn der „Hitler-Brief“ wurde zwar erst später, im Oktober 1939 geschrieben, aber zurückdatiert auf den 01.09.1939.
300.000 behinderte Menschen fielen der NS-Rassenideologie in den 6 Tötungsanstalten Grafeneck, Hadamar, Bernburg, Brandenburg, Hartheim (bei Linz) und in Pirna-Sonnenstein zum Opfer. Das war bereits nachdem durch das Gesetz zur „Verhütung erbkranken Nachwuchses“ ca. 400.000 Menschen grausam unfruchtbar gemacht wurden. Viele behinderte Menschen starben bereits an dieser „Behandlung“. Von den Nazis wurden sie als “Ballastexistenzen” bezeichnet.
Die „Rebellion der Ballastexistenzen“ kämpfen und protestieren gegen das Vergessen dieser Opfer sowie auch gegen den gegenwärtigen Ableismus und die Diskriminierung von Menschen mit sichtbaren und unsichtbaren Behinderungen.
Beides ist leider deutlich auf dem Vormarsch.
Das hat nicht zuletzt beispielhaft als ein von vielen schrecklichen Verbrechen der vierfache Potsdamer Behindertenmord vom April 2021 gezeigt!
Dem gilt es nach wie vor deutlich zu widersprechen und entgegenzutreten.
Also, es bleibt dabei: „Wehret den Anfängen!“ Und: „Kein Opfer ist und darf je vergessen werden!“
Wir, die Rebellion der Ballastexistenzen, finden die Pressemitteilung von ver.di vom 03.05.2022 zum Bundesweiten Streik- und Aktionstag in der Behindertenhilfe am 5. Mai unter dem Motto „Tempo machen für gute Arbeitsbedingungen, bessere Bezahlung und Inklusion“ sehr problematisch.
Der 5. Mai ist der europäische Protesttag für die Rechte behinderter Menschen und deshalb finden wir es als anmaßend, wenn ver.di diesen Tag zu kapern versucht und somit so tut als wäre das Verhältnis zwischen Behindertenhilfe und Behindertenbewegung konfliktfrei.
Ver.di tut so als wäre das höchste Ziel der Behindertenhilfe das selbstbestimmte Leben von behinderten Menschen.
Dies ist aber nicht der Fall! Ver.di verteidigt segregierende Wohnformen und die sogenannten Behindertenwerkstätten deren Abschaffung große Teile der Behindertenbewegung fordern.
Ver.di spricht sich sogar explizit gegen den Mindestlohn in Behindertenwerkstätten aus. Der Mindestlohn ist aber eine Mindestforderung der Behindertenbewegung in Bezug auf die Behindertenwerkstätten. Uns ist bewusst das die in der sogenannten Behindertenhilfe beschäftigten Kolleg*innen bessere Löhne und Arbeitsbedingungen benötigen.
Wir fordern von ver.di, dass sie sich mit den Forderungen der Behindertenbewegung auseinandersetzt und diese zu ihren Forderungen macht und sich nicht weiter zum Handlanger der Regierung und der Arbeitgeber*innen in der Behindertenhilfe macht, sondern sich für einen echten Strukturwandel im Sinne der UN BRK einsetzt.
Wir, die Rebellion der Ballastexistenzen, wollen den Menschen gedenken, die in Potsdam im Oberlinhaus am 28.04.2021 brutal verletzt und ermordet worden sind und den Angehörigen und Hinterbliebenen unser tiefes Mitgefühl ausdrücken.Dies ist leider kein Einzelfall, dies ist Ausdruck von strukturellem Ableismus in einer Gesellschaft, die behindertes Leben nur dann erhält, wenn wir im neoliberalen Kapitalismus verwertbar sind.
Deshalb fordern wir die langfristige Abschaffung der totalen Institutionen, Heime, Psychiatrien und Gefängnisse, die uns nicht schützen, sondern vermehrt gefährden. Wir fordern die Anerkennung unserer Expertise über unsere Leben statt die von sogenannten Expert*innen.
Solange die totalen Institutionen bestehen fordern wir Mitbestimmung innerhalb dieser geschlossenen Systeme. Wir fordern unabhängige Beschwerdestellen. Wir fordern gute Arbeitsbedingungen in den totalen Institutionen. Wir rebellieren gegen das behindernde System!
Die Veranstaltung mit dem Thema Intersektionen und Bündnisse wird auf den 9. Dezember verschoben! Wen wir zur Podiumsdiskussion eingeladen haben findet ihr weiter unten.
Rebellieren gegen das behindernde System – Zeit für Aufstand und Widersetzung!
Habt ihr auch keinen Bock mehr auf ableistische Kackscheiße? Jeden Donnerstag im Monat November wollen wir Online Räume für uns Menschen schaffen, die von der Gesellschaft behindert werden. Um mit euch in den Austausch zu kommen, wollen wir folgende Impulse geben:
1. Donnerstag, 04.11.2021 von 19.00 Uhr bis 21.00 Uhr: Was hat Kapitalismus mit Behinderung zu tun? Wem dient Behinderung? Grundbegriffe, politisch ökonomische Analyse des Behinderwerdens, und die Strukturen der Segregation in Deutschland
Inhaltliche Anmerkung: Eugenik, Verachtung behinderter Menschen, Tötung und Gewalt gegen behinderte Menschen
Mit: Rebellion der Ballastexistenzen
2. Donnerstag, 11.11.2021 von 19.00 Uhr bis 21.00 Uhr Warum kriegen wir linke Behindertenpolitik nicht hin?
In der zweiten Ausgabe unserer Veranstaltungsreihe werden wir uns mit der (scheinbar?) fehlenden Zusammenarbeit linker Zusammenhänge und der Behindertenbewegung in Deutschland befassen. Warum haben die Belange behinderter Menschen in linken Debatten keinen Platz? Weshalb nutzen behinderte Menschen nur selten explizit linke Analysen in ihrem Kampf gegen Unterdrückung? Wieso ist eine Beschäftigung mit der Unterdrückung behinderter Menschen für alle Linken sinnvoll und notwendig? Wieso fühlt man sich als linker behinderter Mensch häufig mit seinen Kämpfen allein? Was für Lösungsansätze gibt es?
Mit: Michael Zander
Dr. Dipl. Psych. Michael Zander ist Mitglied der AG Disability Studies in Deutschland und der Gesellschaft für subjektwissenschaftliche Forschung und Praxis. Außerdem hat er Beiträge für das Gen-ethische Netzwerk verfasst.
Er wird uns einen Input geben über die Geschichte der Beziehung der Linken zur Behindertenbewegung in Deutschland. Im Vortrag wird über Antiabtreibungsgesetze und Kämpfe gegen Homofeindlichkeit gesprochen. Außerdem wird es um Armut, Sozialleistungskürzungen, Eugenik und Widerstand gegen diese Dinge gehen.
Daraufhin wird es die Möglichkeit geben, mit ihm ins Gespräch zu kommen und Fragen zu stellen, die uns als linke behinderte Menschen umtreiben.
4. Donnerstag, 25.11.2021 von 19.00 Uhr bis 21.00 Uhr Alter Wein in neuen Schläuchen? Eugenik, Corona-Politik, und die Heimdebatten – was kommt noch auf uns zu?
Mit: Lukas Krämer von SakulTalks: Aktivist / Arbeitskampf-Aktivist / Streik-Organisator.
Auf seinem YouTube-Kanal SakulTalks klärt er unter anderem über Ausbeutung in WfbM auf und fordert den Mindestlohn in Werkstätten, bis sie generell abgeschafft werden. Instagram, Twitter, YouTube
Wir freuen uns, ihn bei unserer Veranstaltung am 25.11. „Auf in die Zukunft?“ begrüßen zu dürfen.
Nachholtermin: Donnerstag, 09.12.2021 von 19.00 Uhr bis 21.00 Uhr Intersektionalität und Bündnisse – Ein Teil des großen Ganzen:
In der vierten und letzten Veranstaltung unserer Veranstaltungsreihe zu behindertenpolitischen Fragen werden wir uns in einer Podiumsdiskussion mit dem Konzept der Intersektionalität befassen.
Wir werden miteinander darüber ins Gespräch kommen, was es für uns bedeutet, Erfahrungen an (mehreren) Intersektionen zu machen.
Was bedeutet es für behinderte Menschen, von mehreren Unterdrückungserfahrungen betroffen zu sein? Inwiefern gibt es Parallelen oder Unterschiede zwischen den Kämpfen behinderter Menschen, sowie den Kämpfen anderer marginalisierter Menschen? Inwiefern ergänzen und überschneiden sich die Bewegungen gegenseitig, wo fühlen wir uns als mehrfach marginalisierte Personen alleine, und wie finden wir Wege, mit einem intersektionalen Blick auf die Erfahrung von Behinderung solidarisch miteinander zu kämpfen?
Wir freuen uns auf eine spannende Diskussion!
Folgende Personen dürfen wir für die Podiumsdiskussion ankündigen:
Yezenia León Mezu hat einen Bachelor-Abschluss in spanischer Literaturwissenschaft und Linguistik sowie Religionswissenschaften und ist im politischen Bildungsbereich tätig und forscht und schreibt zu Schwarzen intersektionalen Ansätzen wie Körper- und Desirability Politics, Gewichtsdiskriminierung, Theologie des Schwarzen queeren Körpers und mentaler Gesundheit.
Vincent Hesse beschreibt sich als ein Schwarzer, deutscher, tauber Mensch. Er ist Rassismuskritiker und Tätig als Pädagoge im sozial-psychiatrischen Dienst und als EUTB Berater. Instagram, Twitter
Eliah Lüthi ist die Akademie der Unvernunft und liebt es Welt_en, Verständnisse und Blicke zu ent_rücken– eigene und andere – und ent_hindernde (T)Räume zu gestalten in Gesprächen, AlltagsHandeln, Schreiben, Lehren, Bewegen, Kuratieren, Herausgeben und Performen.
Dabei fragt sich Eliah zu eigenen Erfahrungen und Beobachtungen in beHindernden und verRückenden Institutionen und Alltagssituationen, ebenso wie in dem Suchen nach selbstbestimmten Verständnissen:
Wie sind meine Un/Möglichkeiten auch immer geprägt davon, dass ich, als beHindert_verRückte Person (versuche) in einer zweigegenderten Welt genderfrei zu leben?
Und: wie dadurch, dass ich in diesen Gewaltsystemen über rassistische und klassische Normen privilegiert werde?
Und: wie kann ich Teil davon sein, eben diesen Systemen kollektiv und solidarisch die Macht zu entziehen, statt sie weiter zu stärken?
2020 erschien das von Eliah herausgegebene Buch beHindert & verRückt Worte_Gebärden_Bilder finden. Akademie-der-Unvernunft.org
Anwar Abdulkader ist Diskriminierungskritiker und politischer Bildner.
Die Veranstaltungen sind barrierearm und werden in DGS und Leichte Sprache gedolmetscht. Außerdem werden wir eine Software (https://de.ava.me) benutzen, die mithilfe einer künstlichen Intelligenz Untertitel erzeugt. Da die Übersetzung nicht 100 % genau ist, wird gleichzeitig eine Person direkt korrigieren.